AKTIONSTAGE HIGHLIGHT (Gewinneraktion) - 2. Chance für Bio-Obst & -Gemüse


 

Hochwertige Lebensmittel für bedürftige Menschen

Der Wunsch, etwas gegen Lebensmittelverschwendung zu unternehmen in Kombination mit dem Bestreben, bedürftigen Wienerinnen und Wienern Zugang zu Bio-Lebensmitteln zu geben, führten den ADAMAH BioHof und das Hilfswerk-Nachbarschaftszentrum 22 im Jahr 2017 zum gemeinsamen Projekt „Zweite Chance für Bio-Obst und -Gemüse“.

© Wiener Hilfswerk / Veronika Steinberger
© Wiener Hilfswerk / Veronika Steinberger

 

Hintergrund ist, dass der ADAMAH BioHof täglich große Mengen an Obst und Gemüse auszusortieren hat. Das liegt unter anderem daran, dass auch bei Bio-Obst und –Gemüse die Optik der Produkte für die Konsumenten eine immer größere Rolle spielt. Dem sozial engagierten ADAMAH BioHof-Gründerehepaar Sigrid und Gerhard Zoubek war eine sinnvolle Verwendung der aus verschiedenen Gründen aussortierten Produkte ein besonderes Anliegen.

 

© Wiener Hilfswerk
© Wiener Hilfswerk

 

Gemeinsam mit dem Hilfswerk-Nachbarschaftszentrum 22, das in der Stadtrandsiedlung Rennbahnweg neben vielen anderen Aktivitäten auch soziale Orientierungsberatung anbietet, wurde das ökologisch und sozial nachhaltige Projekt ins Leben gerufen.

Dieses trägt im wahrsten Sinne des Wortes Früchte: Besucher/innen des NZ 22, insbesondere Familien und Pensionisten/innen mit geringem Einkommen haben die Möglichkeit, sich zum Pauschalpreis von einem Euro
Bio-Obst und -Gemüse abzuholen.
Im Vorjahr wurden bei 26 Terminen insgesamt 1.750 kg Bio-Obst und -Gemüse verteilt.

 

 

 

Interkultureller Austausch an Rezepten und Tipps

Die Ausgabetermine im Hilfswerk-Nachbarschaftszentrum sind ein beliebter sozialer Treffpunkt unterschiedlicher Menschen aus der Nachbarschaft. In einem demokratischen Prozess entscheiden die Anwesenden über die Aufteilung der zur Verfügung stehenden Bio-Waren und kümmern sich gewissenhaft um alle Tätigkeiten bis hin zur Reinigung der geleerten Kisten. Mittlerweile findet auch ein spannender interkultureller Austausch an Rezepten und Tipps statt, denn die teilnehmenden Frauen und Männer stammen aus Österreich, Deutschland, Ägypten, Serbien, Ukraine, Rumänien und Tschetschenien.

 

© Wiener Hilfswerk
© Wiener Hilfswerk
© Wiener Hilfswerk
© Wiener Hilfswerk

 

 

Aktion: 2. Chance für Bio-Obst & -Gemüse

 

WeltStammTisch

Jedes Jahr ziehen tausende von Menschen aus unterschiedlichsten Gründen nach Wien. Viele davon kommen aus anderen Ländern und Kulturen. Ob aus Flucht zur Wahrung der eigenen Existenz, getrieben durch die Hoffnung auf eine bessere Perspektive und einen würdigen Arbeitsplatz, oder schlicht um diese großartige Hauptstadt und seine Bevölkerung kennenzulernen – Menschen verschiedener Ursprünge versuchen in Wien dauerhaft oder vorübergehend eine Heimat zu finden. Doch bedeutet Heimat eben nicht nur ein physisches Zuhause, sondern auch eine soziale Mitwelt, die jedes Leben erst lebenswert macht und Inklusion ermöglicht.

Deutsch lernen ist nicht genug

Andrea Krakora gibt Deutschkurse am internationalen Kulturinstitut (IKI). Vor etwa eineinhalb Jahren hat Sie gemeinsam mit der Agenda Wieden und Vertretern aus dem befreundeten Netzwerk, wie der Diakonie und dem Projekt „Vollkommen Willkommen“, den WeltStammTisch ins Leben gerufen. Doch warum einen Stammtisch gründen, wenn doch Deutschkurse angeboten werden? „Es gibt Menschen, die Deutsch lernen wollen und Österreicher*innen, die Menschen kennenlernen möchten. Es geht um Begegnungen und einen lockeren sozialen Austausch, bei dem erste Deutschkenntnisse in einem geschützten Umfeld angewandt werden und Beziehungen entstehen können“, erzählt Andrea Krakora von ihrer Idee.

Willkommen bei Freunden

Es ist Montag der 4. Juni. In einem gemütlichen Seitenzimmer im Café Standard in Wien Margareten findet heute abermals der WeltStammTisch statt. Wo man Angespanntheit und anfängliche Nervosität vermuten könnte – treffen hier schließlich Menschen verschiedenster Hintergründe aufeinander – herrscht eine wohlige Stimmung von Respekt, Interesse am Gegenüber und Ungezwungenheit. Dies spiegelt sich auch in der Konsumfreiheit wieder, welche gepaart mit dem offenen Selbstverständnis der Anwesenden, diesem Raum einen wohnzimmerhaften Charakter verleiht. Dementsprechend dehnen sich auch die Gesprächsthemen vom aufrichtigen Austausch über Befindlichkeiten, über den gemütlichen Kaffeetratsch bis hin zu gesellschaftskritischen Auseinandersetzungen und philosophischen Debatten.

Buntes Miteinander

Die Leute, die den an jedem ersten Montag im Monat stattfindenden WeltStammTisch besuchen, sind aus Syrien, Afghanistan, Mazedonien, Bosnien, Türkei, Ukraine, Spanien, Iran, natürlich Österreich und anderen Ländern. Doch nicht nur die Herkünfte, auch Alter, Geschlecht und Familienstatus sind gut durchmischt. Vom türkischen Papa mit seiner kleinen Tochter, der aufgeweckten Ukrainerin, dem österreichischen Rentner oder dem jungen charismatischen Iraner – der WeltStammTisch ist auch ein Paradebeispiel wie Multikulturalismus nicht nur funktionieren, sondern auch bereichern kann. So haben einige Besucher*innen im vergangenen Jahr auch bereits einen gemeinsamen Ausflug gemacht – und zwar ins Haus des Meeres.

Brücken bauen

Ihre anfängliche Sorge, genug Muttersprachler zu finden, hat Andrea Krakora überwunden. Denn im Agenda-Netzwerk gab es viele Engagierte, die das Projekt von Anfang an unterstützen und mitmachten. Andrea Krakora will Brücken bauen und ruft auf: „Seid neugierig aufeinander!“. Die Neugierde sei die treibende Kraft, durch die alles Weitere zustande komme und für die man auch belohnt und beschenkt werde, ist sie überzeugt. Neugierig geworden?

 

Bericht von NH-Reporter Hannes

Fotos: © MA22

NH-Reporterin Aglavaine Lakner bei „Pongau barrierefrei?! – Check“

Also mal ganz ehrlich: Woran denkt ihr beim Thema barrierefrei? Ich selbst hatte mir in erster Linie Rollstuhlfahrer*innen vorgestellt, die aufgrund von Stufen oder anderen Hindernissen keinen Zugang zu gewissen Orten haben. Doch diese Veranstaltung hat mir die Augen geöffnet. Barrierefreiheit betrifft nicht nur Gehbehinderte, nein, in unserer Gesellschaft gibt es auch Barrieren für Menschen, die Probleme beim Sehen und/oder Hören, oder soziale und psychische Beeinträchtigungen haben. Dabei wird klar, dass Integration, die lediglich einen Raum für benachteiligte Menschen innerhalb vorhandener Strukturen schafft, zu wenig ist. Das Ziel ist vielmehr Inklusion, das heißt, dass gesellschaftliche Strukturen so angepasst werden müssen, dass sie allen Menschen mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten besser gerecht werden. Das beginnt damit, Orte für alle erreichbar zu machen, betrifft aber ebenso ein Verständlichmachen von Inhalten durch einfachere Sprache oder Gebärdendolmetscher*innen.

 

Die ARGE Barrierefreiheit und Inklusion Pongau

stellte sich am 28.5. von 15.00 bis 18.30 Uhr im Schifferpark in St. Johann vor. In dieser Arbeitsgemeinschaft vernetzen sich die verschiedenen Vereine und Organisationen für und von Menschen mit Beeinträchtigungen. Vertreten waren die Lebenshilfe, der Österreichische Zivilinvalidenverband (ÖZIV), die Soziale Initiative Salzburg, Pro Mente, Frühförderung Hören und Sehen, der Verein Knack:punkt selbstbestimmt leben sowie Forum Familie. Auch über Gebärdensprache und Barrierefreiheit im Museum wurde informiert.

Initiiert und gefördert hat die Veranstaltung Leader Lebens.Wert.Pongau. Leader ist ein EU-Förderprogramm zur Stärkung der ländlichen Entwicklung, das es im Land Salzburg in allen Regionen außer im nördlichen Flachgau und im Tennengau gibt. Es geht um die Verbindung von Mensch, Natur, Kultur und Wirtschaft. Gefördert werden Projekte in den Themenfeldern „Wertschöpfung“, „Natur und Kultur“ sowie „Gemeinwohl“, wobei die Förderung bis zu 80% des Projektbudgets betragen kann und von EU, Bund und Land kommt.

Die beiden Mitarbeiterinnen Cathrine Maislinger und Michaela Frahndl unterstützen aber nicht nur beim Förderantrag, sondern helfen Menschen, die eine Idee haben, schon bei der Projektentwicklung und der Suche nach Projektpartner*innen.

Jedes Jahr setzt sich das engagierte Leader-Team ein Schwerpunktthema. Ging es letztes Jahr um Klimawandelanpassung, so steht heuer die Barrierefreiheit im Mittelpunkt.

 

Schon die Begrüßung durch Leader Geschäftsführerin Cathrine Maislinger steht ganz im Zeichen der Barrierefreiheit und wird durch eine Gebärdendolmetscherin übersetzt.

 

Pongau barrierefrei ?! - Check

Ziel des Nachmittags war es, auf die Arbeitsgemeinschaft aufmerksam zu machen, die Mitgliedsorganisationen vorzustellen und auch die Kontakte untereinander zu intensivieren.

Der Schifferpark bot die perfekte Bühne, Menschen, die zufällig vorbeikamen, anzusprechen und zum Zuhören und Mitmachen zu motivieren. Dazu gab es Stände mit Infomaterialien und Gesprächsangeboten, ein Improvisationstheater, und jede*r Interessierte konnte am eigenen Leib erfahren, wie sich bestimmte Beeinträchtigungen anfühlen. Beim Rollstuhlfahren zeigte sich, dass schon leichte Steigungen die Armmuskulatur erheblich beanspruchen, mithilfe von Spezialbrillen konnten verschiedene Sehbehinderungen erlebt werden, und schließlich gab es speziell für Blinde gemachte Bücher, Brettspiele und sogar einen „Blindenball“. Letzterer funktioniert mithilfe eines Geräusches und wurde von den Kindern begeistert getestet.

Auch Rollstuhlrennen sind bei den Kindern sehr beliebt.

 

Den Abschluss der sehr informativen und kurzweiligen Veranstaltung bildete der Auftritt des selbst körperlich beeinträchtigten Stand-up Comedian David Stockenreiter. Er brachte den Anwesenden das Thema Barrierefreiheit und Inklusion auf kabarettistische Weise nahe und alle Zuhörer*innen damit einerseits zum Lachen, aber auch einmal mehr zum Nachdenken über den Umgang unserer Gesellschaft mit allen, die von dem, was als normal definiert wird, abweichen.

Stand-up Comedian David Stockenreiter bei seiner Performance

Bericht von NH-Reporterin Aglavaine Lakner 

Fotos: © Land Salzburg

SUPERTRAMPS: Eine Tour – zwei Welten

Am frühsommerlich warmen Nachmittag des 9. Juni empfing ein ungleiches, jedoch wunderbar harmonierendes Duo eine Schar interessierter Menschen an den Ufern des Wiener Donaukanals.  Katrin Kadletz ist staatlich geprüfte Fremdenführerin und entführte als solche die Teilnehmer*innen auf einen vielseitigen Ausflug in Wiens Kunst, Kultur und Geschichte. Ferdinand, der zweite Guide, hat über Jahre am eigenen Leib erfahren müssen, was es heißt, kein Dach über dem Kopf zu haben und teilte Fakten, tragische Episoden aber auch das ein oder andere humoristische Schmankerl aus der Welt der Obdachlosigkeit mit der gebannt lauschenden Zuhörerschaft. Der von den beiden abwechslungsreich gestaltete Spaziergang entlang des lebhaften Donaukanals hinein ins stille Servitenviertel des 9. Wiener Bezirks eröffnete einen höchst kontrastreichen Einblick in unterschiedliche Lebenswirklichkeiten und in eine Stadt mit vielen Gesichtern.

Die Guides Ferdinand und Katrin vor der mit Graffiti-Kunst gestalteten „Wienerwand“ am Donaukanal.

Die eine Welt … Historie und Glanz einer Weltstadt

Das vom weltberühmten Wiener Architekten der Belle Époque Otto Wagner erdachte Schützenhaus beim Donaukanalausgang der U-Bahn-Station Schottenring bildet den Ausgangspunkt der Exkursion. Entlang der sogenannten „Wienerwand“, die legal von Künstler*innen der Graffitiszene im steten Wandel gestaltet wird, spazieren wir das Donaukanalufer der „Mazzesinsel“ entlang – wie der 2. Bezirk historisch auf seine jüdischen Wurzeln verweisend genannt wurde. Geschichten vom heiligen Nepomuk, der Rossauer Kaserne und den schiffziehenden Treidlern lauschend, überqueren wir schließlich auf der Rossauer Brücke den Donaukanal. An der „Summer Stage“ vorbeischlendernd, die in den Sommermonaten hier von Creolisch bis Wienerisch zu einer kulinarischen Weltreise einlädt, erreichen wir die ebenfalls von Otto Wagner gestaltete U-Bahn Station Rossauer Lände – ein Hauch Nostalgie weht durch die moderne Weltstadt.

Ferdinands lebhafte Ausführungen luden auch immer wieder zum Schmunzeln ein.

Beim Denkmal der im Zweiten Weltkrieg vertriebenen und ermordeten Juden und Jüdinnen, die in der Servitengasse lebten und arbeiteten, erzählt Ferdinand wie Ausgrenzung im Wien von heute Obdachlose trifft.

Grätzloase?

Dann tauchen wir ein in die stillen Gassen des Servitenviertels. Die Gemeindebauten, die nicht nur hier sondern in der ganzen Stadt bereits ab den 1920er Jahren erbaut wurden, galten damals als internationales Vorzeigeprojekt. Vertreter aus verschiedensten Ländern kamen, um die mit Wasseranschlüssen ausgestatteten Wohnungen sowie die Innenhöfe, Kindergärten und kleinräumigen Infrastrukturen der zukunftsträchtigen Wohnformen zu begutachten. Ein Highlight der Führung ist der im Häuserdickicht verborgene älteste erhaltene jüdische Friedhof Wiens, dessen Anfänge ins 16. Jahrhundert zurückreichen. Vorbei an einer ehemaligen Synagoge, die im Zuge des Novemberpogroms 1938 vernichtet wurde, erreichen wir schließlich die für das Grätzl namensgebende barocke Servitenkirche. Die charmanten Gassen mit ihren vielen Cafés und Läden werden auch gerne „Petit Paris“ genannt, immerhin ist hier unweit auch das Französische Gymnasium beheimatet.

Die andere Welt … über Leben und Überleben auf der Straße

An der Kreuzung Berggasse/Porzellangasse endete die Führung, die bereichert wurde durch die bewegenden Ausführungen Ferdinands, der durch unglückliche Umstände das Leben als Obdachloser erfahren musste. Von den Strapazen der Delogierung über die mühsame tägliche Schlafplatzsuche, die Nahrungsbeschaffung, die Bedeutung von Hunden zur mentalen Stütze, die Wahrnehmung von Kontrollterminen bis hin zum stets schwerer werdenden Zugang zu öffentlichen Toiletten ließ uns Ferdinand in eine Welt eintauchen, über deren zähe Lebensrealität wohl nur die Wenigsten je bewusst nachgedacht haben. Dabei kann Obdachlosigkeit jeden treffen, ob durch Unfälle, traumatische Erlebnisse oder teure Scheidungen. Gleichzeitig ist niemand auf ein derartiges psychisch und physisch immens belastendes Schicksal vorbereitet. So sind Obdachlose auch keine homogene Gruppe und ist der Dosenbier trinkende und den Ausweg im Alkoholrausch suchende „Sandler“ am Praterstern nicht der typische Obdachlose.

Ferdinand lädt die Teilnehmer*inner der SUPERTRAMPS-Tour ein, differenzierter über Obdachlosigkeit und ihre Gesichter nachzudenken.

Nachwirken

Wir stehen im Halbschatten vor dem französischen Café „La Mercerie“. Die Stimmung bei der Verabschiedung ist locker, die Gespräche sind aufgeschlossen und respektvoll. Ferdinand reflektiert über die Würde, die darin liegt, für Dinge selbst zu bezahlen und damit ein Stück Normalität zu erleben. Einen Moment später bringt er uns mit einem Sarkasmus geladenen Witz zum Lachen. Katrin Kadletz bewundert ihn für seinen Mut als „SUPERTRAMP“ Menschen für das Leben und Leiden in der Obdachlosigkeit zu sensibilisieren. Doch wer hat die beiden eigentlich zusammengeführt und was ist SUPERTRAMPS genau?

SUPERTRAMPS kann dem Anspruch, eine Plattform des Austausches verschiedener Lebenswelten und –wirklichkeiten zu sein, gerecht werden.

Das Sozialprojekt SUPERTRAMPS

Getragen durch den 2015 von Katharina Turnauer ins Leben gerufenen Verein „SUPERTRAMPS – Verein zur Unterstützung von obdachlosen und ausgegrenzten Menschen“ knüpft die Initiative vor allem an den sozialen Nachhaltigkeitsaspekt an. Seit Oktober letzten Jahres hat Teresa Bodner die Fäden bei SUPERTRAMPS in der Hand. Die angebotenen Stadtführungen sieht sie als Chance, eine Plattform des Austausches zu schaffen und obdachlosen Menschen ein Gesicht zu geben um somit zukünftig eine andere, verständnisvollere Art der Begegnung zu ermöglichen. Außerdem gehe es um die Unterstützung der betroffenen Individuen, um wieder im Leben Fuß zu fassen.
Der Slogan der Aktionstage Nachhaltigkeit 2017 „Menschen. Machen. Morgen“ passe daher auch wunderbar zu den vielseitigen und stets etwas anders verlaufenden SUPERTRAMPS-Touren. Ob Wiener*innen, die ihre Stadt aus einem anderen Blickwinkel kennenlernen möchten, Tourist*innen, die Wien abseits von Ruhm und Glanz entdecken wollen oder Schüler*innen, die schon früh über die Themen Ausgrenzung und Armut lernen können – SUPERTRAMPS will die Augen vieler Zielgruppen öffnen, um ein gutes Zusammenleben für alle zu fördern.

Ein Beitrag von Nachhaltigkeits-Reporter Hannes Reitberger.

Fotocredit: © MA 22

Theaterstück "ACHTUNG"

Am 3.6.2017 besuchte ich als Nachhaltigkeitsreporterin das Theaterstück „Achtung“ im Ateliertheater in Wien. Dargestellt wurden die Geschichten von fünf jungen Irakern, die aus ihrer Heimat geflohen sind und sich auf den Weg nach Österreich begaben. Vor allem vermittelten sie die erlebten Emotionen während den Episoden der Flucht. Die Schauspieler sprachen in ihrer Muttersprache, also auf Arabisch. Die deutsche Übersetzung wurde auf die Wand projiziert.

Der gefährliche Weg über das Meer

Anspannung. Angst. Beten. Mit Rettungswesten ausgestattet begaben sich die Flüchtlinge auf den Weg über das Meer. Die Angst war groß und sie beteten zu Gott, dass sie die Reise überstehen würden. „Gott ist groß“ sangen sie gemeinsam, um sich zu beruhigen, denn die Stimmung war angespannt. Sie ermahnten sich gegenseitig leise zu sein, damit sie ja niemand hörte und den Weg nach Europa unentdeckt schaffen würden.

Laufen

Sie waren sich unsicher, ob sie angekommen waren und hielten Ausschau nach der blauen Fahne mit den Sternen. Erst wenn sie diese sehen, hätten sie Gewissheit in Europa zu sein. Der Hunger war riesig, doch war nebensächlich, denn sie mussten weiter laufen.

Die Befragung

Die Szene stellte das Verhör dar. Woher kommen Sie? Sind Sie verheiratet? Die Flüchtlinge erzählten hier ihre Geschichten, die sehr unterschiedlich waren.

Ein Mann beschrieb detailliert wie die Ziegeln in seiner Heimat hergestellt werden. Es stellte sich jedoch heraus, das damit nicht Häuser gebaut, sondern Köpfe von Menschen zertrümmert werden. Von denjenigen, die homosexuell oder Transvestiten sind.

Ein gläubiger Mann, der flüchtet, da er im Irak laut ausspricht, dass die Interpretation und Auslebung der Religion dort schlichtweg falsch ist. Die Religion sieht nicht vor, Menschen zu schlachten und Menschen zu vertreiben. Das alles wird dennoch getan und davor rufen sie „Gott ist groß“. Das ist verrückt. Das ist nicht die Religion, das ist bizarr und falsch. Religion hat andere Werte.

Ein Mann gilt als Verbrecher im Irak, da er Alkohol trinkt. Raki mag er besonders gerne, aber sein Alkoholkonsum wird als Schande für die Gesellschaft gesehen. Ginge er in seine Heimat zurück, würden sie ihn aufspüren und töten, denn auf seinen Kopf ist Geld gesetzt.

Im Kino

Als abschließende Szene sitzen sie auf Stühlen, trinken Cola und essen Popcorn. Was sie schauen, erfährt man als Zuschauer nicht. Die Interpretation bleibt frei, ob sie im Kino, Theater oder vielleicht einfach in ihrer neuen Unterkunft einen netten gemeinsamen Abend verbringen. Es wird kaum gesprochen, aber sie scheinen endlich wieder Freude gefunden zu haben!

Wer hat gespielt?

Das Team besteht aus 10 Irakern, die nach Österreich geflüchtet sind. Sie kannten sich zum Teil schon zuvor aus Zeiten im Irak, da sie dort Kunst studierten.  In Österreich trafen sie sich wieder und bereiteten ein Monat lang das Stück vor. Es wurde auch bereits in anderen Theatern aufgeführt.

Ich fand es besonders spannend, mal verstärkt in die Gefühlswelt von Flüchtlingen einzudringen und wie sie ihre Erlebnisse schauspielerisch inzensierten! Toll umgesetzt! Nach dem Theaterstück hörte ich sogar eine Zuschauerin mit Akzent sagen: „Dieses Theater zu sehen ist wie Therapie!“

Ein Beitrag von Nachhaltigkeits-Reporterin Julia Führer.

Fotocredit: © MA 22

Kann die große Transformation gelingen?

Mit dem 1.1.2016 sind die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals – SDGs) in Kraft getreten. Um Wissen, Austausch und Engagement rund um die 17 globalen Ziele zu fördern, veranstaltete oikos Vienna gemeinsam mit dem Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) und der Initiative Wachstum im Wandel des Lebensministeriums am 8. Juni 2017 die Global Goals Konferenz. Diese bestach neben den spannenden inhaltlichen Inputs vor allem durch ihr vielseitiges interaktives Programm, das sich die Konferenzteilnehmer*innen nach ihren persönlichen Interessen zusammenstellen konnten. Die modernen und hellen Räumlichkeiten der Wirtschaftsuniversität eigneten sich hervorragend, um die teilweise zeitgleich stattfindenden Workshops abzuhalten. Den abendlichen Abschluss der Konferenz bildeten der Vortrag und die Podiumsdiskussion mit Dr. Christoph Müller, in denen die SDGs als Chance für Österreich diskutiert wurden.

Fred Luks vom Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit moderierte durch die Konferenz.

Eröffnung

Julia Schwarzbauer von oikos Vienna eröffnete die Konferenz mit freundlichen Grußworten und leitete schließlich zu Fred Luks vom Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit über, der das Publikum mit seinen Denkanstößen in die Thematik einführte. Anders als bei der vom österreichischen Wirtschaftswissenschaftler Karl Polanyi beschriebenen „Great Transformation“, die den Wandel der vergangenen Jahrhunderte hin zum Kapitalismus beschreibt, geht es bei der anstehenden sozio-ökologischen Transformation nicht um die Analyse eines fortgeschrittenen Prozesses, sondern um die aktive Gestaltung der Zukunft. Die Transformation ist tatsächlich ein zentraler Begriff in der „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ der Vereinten Nationen. Auch wenn die SDGs mit ihrer ambitionierten angestrebten Erreichung in 13 Jahren unter anderem als „Fake Goals“ kritisiert werden, machen sie doch Lust auf Veränderung und stellen mit ihrer Transformationsagenda ein Narrativ für eine friedvolle und nachhaltige globale Entwicklung dar.

Der Festsaal sowie der Clubraum der Wirtschaftsuniversität boten Platz und Equipment für die vielseitigen Programmpunkte.

Get active!

Von nachhaltiger Stadtentwicklung und verantwortungsbewusstem Konsum über die Themen Bildung und Ungleichheiten bis hin zu den SDGs im unternehmerischen sowie politischen Kontext – das vielfältige Workshop-Angebot  hatte wohl für jeden Geschmack etwas zu bieten. Die Workshop-Sessions wurden von den vielen fleißigen helfenden Händen von oikos Vienna gemeinsam mit Vertreter*innen aus Wirtschaft, Wissenschaft und dem Nonprofit-Sektor gestaltet. Im Workshop zu „Bildung und Ungleichheiten“ – Themen die durch die SDGs 4, 5 und 10 behandelt werden – präsentierten vier Expert*innen ihre Arbeitsschwerpunkte und luden ein, in Kleingruppen tiefer ins Detail zu gehen, um konkrete Herausforderungen und Transformationspfade zu identifizieren.

Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und dem NGO-Bereich konfrontierten das Publikum mit ihren Arbeitsschwerpunkten.

In Kleingruppen beschäftigten sich die Teilnehmer*innen mit gesellschaftlichen Herausforderungen, wie hier bei Toni Kronke von Teach for Austria.

Entwicklungshilfe an österreichischen Schulen

Toni Kronke von Teach for Austria erzählte in einer der Arbeitsgruppen wie er als im globalen Süden tätiger Kulturwissenschafter schließlich an Brennpunktschulen in Deutschland und Österreich gelandet ist, um mit Kindern sozioökonomisch schwächer gestellter Familien zu arbeiten. Denn der Schritt von Neuen Mittelschulen zu weiterführenden Ausbildungen ist oft ein sehr schwerer. Bildungs- und Chancengerechtigkeit bleiben dabei unverwirklichte Ansprüche.
Die „Fellows“ von Teach for Austria sollen nach ihrer intensiven Vorbereitungs- und Praxisphase, in der sie für zwei Jahre als Lehrpersonen an sogenannte Problemschulen fungieren, eine Lobby für zurückgelassene junge Menschen bilden. Dabei geht es durch die Einnahme einer Vorbildfunktion neben der reinen Wissensvermittlung vorranging um das Aufzeigen von Perspektiven. Die Rolle der Lehre wird dabei überdacht und der Fokus auf die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und Jugendlichen gelegt. Es geht darum eine Haltung des „Ich versuch das mal“ statt des „Ich kann das nicht“ zu etablieren, um eine frühe Segregation zu verhindern und der Kreativität und den Potentialen der Schüler*innen zur Entfaltung zu verhelfen.

Idee und Motivation

Als eine der Organisatorinnen der Global Goals Konferenz liegt Julia Schwarzbauer von oikos Vienna vor allem das Schaffen von Bewusstsein zur ökosozialen Transformation und den SDGs am Herzen. Neben diesem pragmatischen Zugang will die Studierendenorganisation intern aber auch kritische Aspekte der nachhaltigen Entwicklung diskutieren. Julia Schwarzbauer sieht die hochstilisierten SDGs als wichtigen Handlungsrahmen sowohl für Politik als auch für Unternehmen. Die Konferenz selbst sei eine Chance zum interdisziplinären Austausch der Teilnehmer*innen und involvierten Akteur*innen. Dieser ermögliche es, sich über gewohnte gesellschaftliche Kreise und Denkmuster hinaus von engagierten Persönlichkeiten inspirieren zu lassen und über eigene Haltungen zu reflektieren. Jetzt ist die Zeit zu handeln, denn „Future is now!“.

In den vielen Workshops wurde über Ursachen und Lösungen globaler Herausforderungen diskutiert.

Ein Beitrag von Nachhaltigkeits-Reporter Hannes Reitberger.

Fotocredit: MA 22

Nachhaltiges Einkaufen bei "Einer für alle" Liezen

Das Unternehmen pro mente steiermark nahm heuer über den gesamt Aktionszeitraum hinweg mit seinen Läden an den Nachhaltigkeitstagen teil. So verteilen die Nahversorgungsgeschäfte an jeden Kunden ein Flugblatt mit wertvollen Tipps für nachhaltiges Einkaufen und mit Rezeptideen zur optimalen Resteverwertung. An dieser Aktion nahmen die „Einer für alle“-Nahversorger aus Kapfenberg, Liezen und Weiz teil. Um mir selbst davon einen Überblick zu verschaffen besuchte ich nach Rücksprache mit der Filialleiterin kurzerhand den Laden in Liezen.

Flugblatt für jeden Kunden

Nach der Ankunft im Geschäft wurde ich von der Leiterin herzlich begrüßt und schnell durch das Geschäft geführt, den anwesenden Mitarbeitern vorgestellt und mit den wichtigsten Details der Aktion vertraut gemacht. Danach wurde mir das aktuelle Flugblatt mit den Tipps gezeigt, welches jeder Kunde zum Einkauf dazu erhält. Auf der Vorderseite fanden sich Praxistipps für nachhaltiges Einkaufen, wie zum Beispiel: „Gehen Sie nicht hungrig einkaufen“; „Schreiben Sie sich einen Einkaufszettel“; „Überprüfen Sie abgelaufene Ware darauf ob diese noch essbar ist und werfen Sie diese nicht gleich weg“; „Achten Sie auf die geeignete Lagerung ihrer Lebensmittel“. Die Tipps mögen auf den ersten Blick zwar einfach, plausibel und ohnehin klar erscheinen, ihre Umsetzung und Wirkung ist es jedoch ebenso und wenn sich mehr Menschen daran halten würden, würden weit weniger Lebensmittel im Abfall landen.  Auf der Rückseite sind auch noch zwei Rezepte für die Verwertung von Resten zu finden. Ein Rezept für ein Wurstgröstl und ein Armer-Ritter-Kuchen mit Früchten stehen hier am „Speiseplan“. Die Rezepte stammen vom Bistro SuppKultur, einem weiteren Laden von pro mente steiermark.

Nachhaltig das ganze Jahr lang

Die „Eine für alle“-Läden zeichnen sich hinsichtlich Nachhaltigkeit jedoch nicht nur durch die Teilnahme an den Aktionstagen aus. Die Geschäfte können als sozialer Nahversorger angesehen werden. Auf Angestelltenseite helfen sie dabei Menschen mit psychischen Problemen durch Arbeitstraining bzw. Anstellungen den Wiedereinstieg ins Arbeitsleben zu erleichtern. Auf Kundenseite richtet sich die Zielgruppe speziell auf einkommensschwache Personen bzw. Haushalte. Menschen aus der Region, welche ein bestimmtes Mindesteinkommen nicht überschreiten, können sich eine spezielle Vorteilskarte ausstellen lassen. Diese Karte bietet ihnen dann einige lebenserleichternde Begünstigungen. Neben Informationen über Angebote und Extras per SMS und einem Treuepass bietet die Karte auf alle Artikel im Geschäft Rabatt.

Ein weiterer besondere Service der „Eine für alle“-Nahversorger ist die Lebensmittelzustellung. Nach Bestellung vor Ort oder per Telefon werden die Waren direkt zum Kunden nach Hause geliefert. Bezahlt wird bei Übergabe der Ware, gleichzeitig kann allfälliges Leergut zurückgegeben werden. Dieser Service ist für das Stadtgebiet verfügbar und ab einem Einkauf von zehn Euro kostenlos. Zusätzlich dazu werden auch Botendienste, zum Beispiel zu Post oder Apotheke, angeboten. Ein solcher Service kommt vorallem mobileingeschränkten Menschen zugute. Außerdem wird eine Büchertauschbörse inklusive Sitzecke, ein Wäsche- und Bügelservice, eine Änderungsschneiderei und ein „FAIR(Ständer)“ angeboten. Bei diesem Ständer können die Kunden bei Bedarf kostenlos Mäntel oder Jacken entnehmen. Jene die helfen wollen können selbige Kleidungsstücke dort aufhängen.

Langfristiger Erfolg

Im Geschäft wird auch allgemein darauf Wert gelegt, dass die angebotenen Produkte soweit wie möglich von regionalen Betrieben stammen. Der Laden in Liezen, unter der Dachmarke „Nah und Frisch“, besteht seit Jänner 2010. Somit ist bewiesen, dass sich ein Nahversorger sowohl sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltig führen lässt, als auch sich langfristig etablieren kann.   

Ein Beitrag von Nachhaltigkeits-Reporter Benjamin Pauscher.

Fotocredit: Land Steiermark

Aktions- und Kulturtage 2017

In Neusiedl bei Güssing zur Gemeinde Kukmirn gehörend, fanden wie auch im letzten Jahr die Aktions- und Kulturtage statt.

Gründung im Jahr 2012

Die Stegersbacher Nachhaltigkeitsakademie, die im Jahre 2012 für das Gemeinwohl gegründet wurde, veranstaltet regelmäßig Stammtische und Diskussionsrunden. Unter anderem wurde ein eigener „Nachhaltigkeitskatalog“ erstellt. Dies stand bei dieser Veranstaltung jedoch zum Teil im Hintergrund.

Ruhiger Hof im Grünen

Veranstaltet wurde das diesjährige Event wie auch schon 2016 am eigenen Gelände. Während ein Fischteich zum entspannen einlud, wurde im Haus zu gutem Kaffee und kühlen Getränken geladen. Anschließend gab es die Möglichkeit im Garten zu ruhen oder die zahlreichen Kunstwerke befreundeter Künstler zu studieren.

Thema: Verbundenheit

In diesem Jahr gab Organisatorin Dr. Lygia Simetzberger das Thema „Verbundenheit“ vor. „Menschen unabhängig von Ideologien sind willkommen.“, erklärte Simetzberger. Die Akademie verstehe sich als ein „Think-Tank“. Im August sei außerdem ein künsterliches Symposium geplant.

"Team wäre Vision"

Im Gespräch erklärte Dr. Lygia Simetzberger gerne ein eigenständiges Team haben zu wollen: „Meine Vision wäre es ein kleines Team zu haben. Wir wollen Menschen die Möglichkeit geben sich zu präsentieren. Das kann an verschiedenen Orten sein.“ Was sie ablehnt sind Förderungen. „Wir bekommen keine und wollen auch keine haben. Wir sind ein unabhängiges Forum.“, führte Simetzberger aus.

Urkunde für Nominierung als "Ort des Respekts 2016"

Gemeinden fragen nicht

Um den Nachhaltigkeitsgedanken weiterführen zu können würde sich Simetzberger wünschen, dass Gemeindevertreter die Bevölkerung mehr einbinden würden. „Ich würde mich so freuen wenn Gemeindevertreter an Kunstschaffende heran treten würden.“, kritisierte die Organisatorin. Zu viele negative Erlebnisse seien bereits gemacht worden.

Arbeit an Buch

Zurzeit arbeitet die Jus-Absolventin an einem Buch. Titel des Buches ist „Miteinander“. Darin soll es um eine „neue Diskussionskultur“ gehen.

Fotocredit: Land Burgenland

Ein Beitrag von Nachhaltigkeits-Reporter David Marousek

Shades Tour

Am 4.6.2017 nahm ich als Nachhaltigkeitsreporterin bei einer Shades-Tour in Wien teil. Bei diesen Stadtführungen wird Wien von seiner Schattenseite beleuchtet und zwar aus der Sicht der Obdachlosigkeit. Dieter, ehemaliger Obdachloser, führte uns durch den ersten Bezirk und erzählte uns wie viele Obdachlose es in Wien gibt, wie es um deren Versorgung steht, erklärte uns einige Tipps und Tricks und erzählte uns seine ganz persönliche Geschichte, wie er in die Obdachlosigkeit kam und es wieder hinaus schaffte.

Zerissene Jeans, Billa-Sackerl und ein Dosenbier - der typische Obdachlose?

Zu Beginn der Tour bat uns Dieter Obdachlose zu beschreiben. Verwahrlost, schäbige Kleidung, mit einem Billa Sackerl in der Hand, Alkohol dabei und viele weitere der Vorurteile wurden bedient. Dieter erzählte uns, dass das auf die wenigsten zutrifft. Während seiner Zeit als Obdachloser hat er nicht anders ausgeschaut als er heute vor uns steht. Er war immer gepflegt und hatte saubere Kleidung an. Obdachlosigkeit ist mit Scham besetzt und daher möchte man vermeiden, als Obdachloser erkannt zu werden. Vor allem Frauen versuchen ihre Obdachlosigkeit stark zu verbergen und sind deswegen in der Öffentlichkeit kaum sichtbar, obwohl 40% aller Obdachlosen Frauen sind.

Wie viele Obdachlose gibt es in WIen?

Offiziell gibt es 1.800 Obdachlose in Wien. Diese sind bei Einrichtungen für Obdachlose gemeldet. Es wird geschätzt, dass es dieselbe Anzahl an "versteckt Obdachlosen" gibt. Das sind diejenigen, die wohnungslos sind, aber zum Beispiel bei Freunden vorübergehend unterkommen. Insgesamt mit den Personen, die nirgends aufscheinen, rechnet man mit 8.000 - 10.000 obdachlosen Menschen in Wien.

Wie schlittert man in die Obdachlosigkeit?

Die Gründe sind vielseitig, wie Arbeitslosigkeit, Schulden, Scheidung, Sucht, Haftentlassung, psychische oder physische Erkrankungen. Man schlittert schneller in die Obdachlosigkeit als man glaubt. Wohnt man in Wien in einem Gemeindebau und der (Ehe-) Partner ist nicht offiziell im Mietvertrag bei Wiener Wohnen eingetragen, dann muss dieser die Wohnung verlassen sobald der Partner, der im Mietvertrag steht, stirbt. Selbst wenn man schon 30 Jahre lang in dieser Wohnung wohnt und einem dieser Fehler passiert, muss man aus der Wohnung raus.

Dieter erzählt uns auch von dem Teufelskreis der Obdachlosigkeit. Wenn jemand bei einer Bewerbung als Meldeadresse die Anschrift einer Einrichtung für Obdachlose angibt, hat man wenig Chancen. Sucht man allerdings eine Wohnung, verlangen die Vermieter einen Einkommensnachweis und wird ohne Job nicht genommen. So ist es schwierig eine Wohnung ohne einen Job und einen Job ohne einer Wohnung zu finden.

Wie Dieter obdachlos wurde

Dieter ist ein sehr gut ausgebildeter Österreicher, war verheiratet und hat einen Sohn. Er hatte 28 Jahre lang denselben Job, wobei er davon in seinen letzten Berufsjahren von Kärnten nach Wien zog und nun dort im Ministerium tätig war. Er stand kurz vorm Burnout und wurde unbezahlt karenziert. Er fühlte sich mit seiner Arbeit sehr verbunden und schaffte es daher anfangs nicht endgültig zu kündigen. Dadurch erhielt er lange kein Arbeitslosengeld und wurde mit seiner Miete rückständig. 2015 musste er daher aus seiner Wohnung raus und kam zuerst als "versteckt Obdachloser" bei Freunden unter. Das funktionierte nicht lange gut und so schlitterte er in die völlige Obdachlosigkeit und kam in Notschlafstellen unter.

Dieters Geschichte zeigt auf, dass Obdachlosigkeit jeden treffen kann! Schön ist, dass er aber auch erzählte, wie gut das Sozialsystem für Obdachlose in Wien ausgebaut ist. Es gibt hier keinen Menschen, der hungern müsste. Natürlich sind die Notschlafstellen alles andere als ein Honigschlecken, wenn bis zu 57 Menschen in einem Raum schlafen, aber für die Grundbedürfnisse ist gesorgt. Danke Dieter für die tolle Tour und deine Offenheit! Jedem, der mehr über das Leben von Obdachlosen in Wien erfahren möchte, ist die Tour wärmstens zu empfehlen!

Bericht von NH-Reporterin Julia.

Fotocredit: © MA 22