AKTIONSTAGE HIGHLIGHT (Gewinneraktion) - 2. Chance für Bio-Obst & -Gemüse


 

Hochwertige Lebensmittel für bedürftige Menschen

Der Wunsch, etwas gegen Lebensmittelverschwendung zu unternehmen in Kombination mit dem Bestreben, bedürftigen Wienerinnen und Wienern Zugang zu Bio-Lebensmitteln zu geben, führten den ADAMAH BioHof und das Hilfswerk-Nachbarschaftszentrum 22 im Jahr 2017 zum gemeinsamen Projekt „Zweite Chance für Bio-Obst und -Gemüse“.

© Wiener Hilfswerk / Veronika Steinberger
© Wiener Hilfswerk / Veronika Steinberger

 

Hintergrund ist, dass der ADAMAH BioHof täglich große Mengen an Obst und Gemüse auszusortieren hat. Das liegt unter anderem daran, dass auch bei Bio-Obst und –Gemüse die Optik der Produkte für die Konsumenten eine immer größere Rolle spielt. Dem sozial engagierten ADAMAH BioHof-Gründerehepaar Sigrid und Gerhard Zoubek war eine sinnvolle Verwendung der aus verschiedenen Gründen aussortierten Produkte ein besonderes Anliegen.

 

© Wiener Hilfswerk
© Wiener Hilfswerk

 

Gemeinsam mit dem Hilfswerk-Nachbarschaftszentrum 22, das in der Stadtrandsiedlung Rennbahnweg neben vielen anderen Aktivitäten auch soziale Orientierungsberatung anbietet, wurde das ökologisch und sozial nachhaltige Projekt ins Leben gerufen.

Dieses trägt im wahrsten Sinne des Wortes Früchte: Besucher/innen des NZ 22, insbesondere Familien und Pensionisten/innen mit geringem Einkommen haben die Möglichkeit, sich zum Pauschalpreis von einem Euro
Bio-Obst und -Gemüse abzuholen.
Im Vorjahr wurden bei 26 Terminen insgesamt 1.750 kg Bio-Obst und -Gemüse verteilt.

 

 

 

Interkultureller Austausch an Rezepten und Tipps

Die Ausgabetermine im Hilfswerk-Nachbarschaftszentrum sind ein beliebter sozialer Treffpunkt unterschiedlicher Menschen aus der Nachbarschaft. In einem demokratischen Prozess entscheiden die Anwesenden über die Aufteilung der zur Verfügung stehenden Bio-Waren und kümmern sich gewissenhaft um alle Tätigkeiten bis hin zur Reinigung der geleerten Kisten. Mittlerweile findet auch ein spannender interkultureller Austausch an Rezepten und Tipps statt, denn die teilnehmenden Frauen und Männer stammen aus Österreich, Deutschland, Ägypten, Serbien, Ukraine, Rumänien und Tschetschenien.

 

© Wiener Hilfswerk
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© Wiener Hilfswerk
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Aktion: 2. Chance für Bio-Obst & -Gemüse

 

Offener Pioneers of Change Community Abend

Pioneers of Change begleitet Menschen auf ihrem Weg zur Potentialentfaltung, bei der Visionsfindung oder auch der Projektplanung. Neben dem jährlich stattfindenden Lerngang, dem erfolgreichen Online-Summit und anderen Formaten, werden seit September 2017 auch offene Community Abende gestaltet. Diese Veranstaltungsreihe mit dem Überthema „Ich im WANDEL – das wandelnde ICH“, ladet alle 2 Monate Menschen ein, bei einem wertschätzenden Beisammensein und Austausch sich selbst und andere im Miteinander zu spüren und zu entdecken.

Gefühle im Wandel

Jeder Community Abend widmet sich einem anderen Thema. Am Abend des 6. Juni fanden sich gut 20 Menschen in den schönen Räumlichkeiten des MARKHOFS ein, um sich mit Krisen und damit verbundenen Gefühlen auseinanderzusetzen. Das abwechslungsreich konzipierte und angenehm gestaltete Programm bot dabei Platz für Meditation, Reflektion, Selbsterfahrung, Austausch, Inspiration, Erholung und Netzwerken. Bei verschiedenen Übungen – ob allein oder in Gruppen – wurde so ein sicherer Raum eröffnet, um sich intensiv mit eigenen Krisen und Gefühlen wie Trauer, Hilflosigkeit, Angst, Erschöpfung oder Ohnmacht zu beschäftigen und im freiwilligen Teilen neue Zugänge dazu zu entwickeln.

Den Raum halten

Doch wie gelingt es mit zuvor fremden Menschen über derart persönliche Aspekte zu sprechen ohne sich klein zu fühlen oder auf Zurückweisung zu stoßen? Der Schlüssel liegt in einer achtsamen und wohlwollenden Haltung, bei der nicht versucht wird das Gegenüber zu „reparieren“ oder zu beurteilen. Es geht vielmehr um aufrichtiges Zuhören und das „Halten des Raumes“ für das was gerade da ist. „Viel kann passieren, wenn man sich zeigt!“, meint Stephanie Steyrer, die den Abend heute leitet und für den Bereich “Community“ bei Pioneers of Change zuständig ist. „Den Raum halten“ könne aber auch heißen, jemanden zu umarmen oder eben zu halten – schließlich gehe es um eine gewisse Qualität im Miteinander, die einander hilft, zur Stille und zu sich selbst zurückzufinden.

Starke Gemeinschaften in einer “wandeligen“ Zeit

Die Community Abende verstehen sich auch als Übungsraum für die Charta der Pioneers of Change. Darin geht es um eine tiefgreifende Transformation unserer Gesellschaft und den gemeinsamen Aufbruch hin zu Verbundenheit, Freiheit, Verantwortung, Vertrauen und einem guten Leben für alle. „Es soll eine niederschwellige ,community of practice‘ für gemeinsames Lernen, echte Begegnungen und nachhaltige Vernetzung und Kooperation geschaffen werden“, erzählt Stephanie Steyrer. Denn nachhaltiges Wirksamsein bedinge nicht nur ein Handeln im Außen – was zu Überforderung und Burnout führen könne – sondern ebenso innere Verbundenheit. „Da Wandel und Transformation kritische Machtfragen stellen und auf die Unsicherheit vieler Menschen treffen“, so ist Stephanie Steyrer überzeugt, „brauchen wir starke Gemeinschaften, in denen wir zu uns selber stehen, uns verletzlich zeigen und schließlich kraftvoll herausgehen können.“

Bericht von NH-Reporter Hannes
Fotos: © MA22

WeltStammTisch

Jedes Jahr ziehen tausende von Menschen aus unterschiedlichsten Gründen nach Wien. Viele davon kommen aus anderen Ländern und Kulturen. Ob aus Flucht zur Wahrung der eigenen Existenz, getrieben durch die Hoffnung auf eine bessere Perspektive und einen würdigen Arbeitsplatz, oder schlicht um diese großartige Hauptstadt und seine Bevölkerung kennenzulernen – Menschen verschiedener Ursprünge versuchen in Wien dauerhaft oder vorübergehend eine Heimat zu finden. Doch bedeutet Heimat eben nicht nur ein physisches Zuhause, sondern auch eine soziale Mitwelt, die jedes Leben erst lebenswert macht und Inklusion ermöglicht.

Deutsch lernen ist nicht genug

Andrea Krakora gibt Deutschkurse am internationalen Kulturinstitut (IKI). Vor etwa eineinhalb Jahren hat Sie gemeinsam mit der Agenda Wieden und Vertretern aus dem befreundeten Netzwerk, wie der Diakonie und dem Projekt „Vollkommen Willkommen“, den WeltStammTisch ins Leben gerufen. Doch warum einen Stammtisch gründen, wenn doch Deutschkurse angeboten werden? „Es gibt Menschen, die Deutsch lernen wollen und Österreicher*innen, die Menschen kennenlernen möchten. Es geht um Begegnungen und einen lockeren sozialen Austausch, bei dem erste Deutschkenntnisse in einem geschützten Umfeld angewandt werden und Beziehungen entstehen können“, erzählt Andrea Krakora von ihrer Idee.

Willkommen bei Freunden

Es ist Montag der 4. Juni. In einem gemütlichen Seitenzimmer im Café Standard in Wien Margareten findet heute abermals der WeltStammTisch statt. Wo man Angespanntheit und anfängliche Nervosität vermuten könnte – treffen hier schließlich Menschen verschiedenster Hintergründe aufeinander – herrscht eine wohlige Stimmung von Respekt, Interesse am Gegenüber und Ungezwungenheit. Dies spiegelt sich auch in der Konsumfreiheit wieder, welche gepaart mit dem offenen Selbstverständnis der Anwesenden, diesem Raum einen wohnzimmerhaften Charakter verleiht. Dementsprechend dehnen sich auch die Gesprächsthemen vom aufrichtigen Austausch über Befindlichkeiten, über den gemütlichen Kaffeetratsch bis hin zu gesellschaftskritischen Auseinandersetzungen und philosophischen Debatten.

Buntes Miteinander

Die Leute, die den an jedem ersten Montag im Monat stattfindenden WeltStammTisch besuchen, sind aus Syrien, Afghanistan, Mazedonien, Bosnien, Türkei, Ukraine, Spanien, Iran, natürlich Österreich und anderen Ländern. Doch nicht nur die Herkünfte, auch Alter, Geschlecht und Familienstatus sind gut durchmischt. Vom türkischen Papa mit seiner kleinen Tochter, der aufgeweckten Ukrainerin, dem österreichischen Rentner oder dem jungen charismatischen Iraner – der WeltStammTisch ist auch ein Paradebeispiel wie Multikulturalismus nicht nur funktionieren, sondern auch bereichern kann. So haben einige Besucher*innen im vergangenen Jahr auch bereits einen gemeinsamen Ausflug gemacht – und zwar ins Haus des Meeres.

Brücken bauen

Ihre anfängliche Sorge, genug Muttersprachler zu finden, hat Andrea Krakora überwunden. Denn im Agenda-Netzwerk gab es viele Engagierte, die das Projekt von Anfang an unterstützen und mitmachten. Andrea Krakora will Brücken bauen und ruft auf: „Seid neugierig aufeinander!“. Die Neugierde sei die treibende Kraft, durch die alles Weitere zustande komme und für die man auch belohnt und beschenkt werde, ist sie überzeugt. Neugierig geworden?

 

Bericht von NH-Reporter Hannes

Fotos: © MA22

Wien wird WOW

Schonwieder ein Neubau, der das Flair der benachbarten historischen Gebäude ankratzt. Schonwieder ein Großprojekt, welches viel zu teuer ist und viel zu lange dauert. Schonwieder ein Bauvorhaben, bei dem alle, nur nicht die Bevölkerung und die zukünftigen Bewohner mitreden können! Die Stadtplanung hat harte Zeiten hinter sich und kämpft mit ihrem Image. Oft kam sie erst ins Gespräch, als Konflikte bereits offen ausgetragen wurden und über zu wenig Grünflächen oder Parkplätze oder vielleicht auch zu hohe oder zu niedrige Bauten gestritten wurde. Doch damit soll jetzt Schluss sein!

Interaktive Stadtplanung

Mit der Ausstellung „Wien wird WOW“ – die auch als „größter mobiler Workshop der Stadt“ bezeichnet wird – soll Stadtplanung aus dem Rathaus hinausgetragen und dorthin gebracht werden, wo Stadtentwicklung passiert. Die Wiener Magistratsabteilung für Stadtplanung hat sich zum Ziel gesetzt, Mitbestimmung zu fördern und Bürger*innen aktiv einzubinden. Bis zum Jahr 2020 soll „Wien wird WOW“ also nun durch die Stadt touren und gemäß dem Motto „Denk mit. Plan mit. Mach mit.“ Wiener und Wienerinnen für integrative Stadtplanung begeistern. Es soll informiert, aber auch inspiriert und aktiviert werden, um Stadtplanung in seiner Komplexität begreifbar zu machen, während spielerisch Einbringungsmöglichkeiten aufgezeigt werden.

Nordbahnhalle ist WOW

Von 18. April bis 2. Juni feierte „Wien wird WOW“ in der Nordbahnhalle seine Eröffnung. Das Nordbahnviertel im zweiten Bezirk ist dabei selbst ein Hotspot für Stadtentwicklung und die Nordbahnhalle ein geeigneter Experimentierort für zukunftsfähige Stadtplanung. Umringt von grüner Wildnis, brachen Flächen und Vorboten des gewaltigen Stadterneuerungsprozesses, der sich hier in den nächsten Jahren vollziehen wird, bildet das alte Ziegelgebäude einen kreativen Gestaltungsraum für bunte Ausstellungen und Veranstaltungen. Beim Eintreten werden die Besucher*innen von einem fachkundigen Vermittlungsteam begrüßt und auf Wunsch durch die Ausstellung begleitet. Man bekommt das Gefühlt, dass „Stadt“ hier anders gedacht wird. 

Es gibt viel zu entdecken

Die Ausstellung selbst gleicht einem hölzernen Baugerüst, das als ästhetische Skulptur in die Höhe ragt und Lust macht entdeckt und erlebt zu werden. Während die Außenseite eher allgemeine Aspekte der Stadtplanung behandelt, lädt der begehbare Innenbereich ein, konkrete Bauvorhaben Wiens besser kennenzulernen. Wer gerne spielt kommt hier auf seine Kosten. Sei es beim tatsächlichen Gestalten mit Bauklötzen, dem Aufbau einer ganzen Nachbarschaft am Computerdisplay oder der Planung einer Straße, die verschiedenen Zielgruppen gerecht werden soll. Außerdem erfährt man nach einem kurzen Quiz, welche Stadt auf der Welt perfekt für einen ist, wird über geläufige Mythen zur Stadtplanung aufgeklärt und lernt welche kreativen Lösungen andere Städte für ihre Probleme gefunden haben.

Trotz der nur 26 m² Grundfläche hat Langeweile hier nichts zu suchen. Wer also gerne mal in die Rolle der Stadtplanerin oder des Stadtplaners schlüpfen und mehr über die ambitionierten Stadtentwicklungsprojekte Wiens erfahren möchte, kann sich auf diese interaktive Wanderausstellung freuen.

Bericht von NH-Reporter Hannes

Fotos: © MA22

 

 

Wie die Fleischlust den Regenwald konsumiert – ein Theater-Workshop

Es ist Sonntag der 27. Mai. In der Wiener Neustiftgasse – gleich um die Ecke beim Augustinplatz – wurde in die Räumlichkeiten der Umweltorganisation Global 2000 eingeladen. Kein minderer als Heini Brossmann, Leiter des Theaters Trittbrettl, bietet einen Theaterworkshop an, in dem spielerisch die Themen Fleischkonsum und Regenwaldzerstörung aufbereitet werden. Knapp fünfzehn Teilnehmer*innen finden sich in einem großen hellen Raum ein, um gemeinsam eine Reise in den brasilianischen Regenwald anzutreten …

Einstimmung

Doch wer eine Reise tut, hat danach nicht nur etwas zu erzählen, sondern sollte sich idealerweise auch darauf vorbereiten. Bei Tanz und Musik bewegen wir uns also durch den Raum, verabschieden uns vorübergehend von der Außenwelt und treten schließlich miteinander in Begegnung. Nach einer Vorstellungsrunde streifen wir uns dann mit unseren Händen all die Sorgen vom Leib, die uns heute beschäftigen und stellen uns anschließend vor, unsere dynamischen Körper würden nach und nach zu Beton, um diesen dann zu sprengen und wieder ganz frei im Jetzt anzukommen. Die Geschichte beginnt …

Pueblo de Pablo

Pablo ist ein junger Bewohner einer friedlichen Dorfgemeinschaft im Amazonas. Die Menschen hier leben im Einklang mit der artenreichen Natur und zelebrieren mit ihren Riten das Leben. So wird auch Pablo am Tage seiner Mannwerdung gefeiert. Jedes Mitglied der Dorfgemeinschaft überreicht Pablo ein Geschenk – vom Bogen bis hin zum beschützenden Amulett.
Doch der Folgetag stellt die Bewohner von Pueblo de Pablo auf eine harte Probe. Gringos besuchen das Dorf, behaupten dieses Gebiet vom Staat erworben zu haben und fordern die Menschen auf ihr Land zu verlassen oder auf den alsbald entstehenden Sojaplantagen zu arbeiten. Pablo kann es kaum glauben und sabotiert in seiner Verzweiflung nachts eine der großen Maschinen, die vor dem Dorf für die Rodungsarbeiten bereitstehen. Ein Motorölfleck auf seiner Schürze verrät Pablo am nächsten Morgen, doch er schafft es zu fliehen und erreicht Wochen später per Schiff die deutsche Hafenstadt Hamburg. Nur beschwerlich findet sich Pablo in dieser von Konsum, Geld und Oberflächlichkeit bestimmten Kultur ein und schreibt voller Wehmut und Verwunderung Briefe an seine geliebte ferne Heimat.

Methodenreich

Diese Geschichte wurde nicht einfach erzählt – wir lebten diese Geschichte. Sei es auf klangerfüllten Nächten im Dschungel, in denen ein Teil der Gruppe am Boden liegend sich von den anderen mit sanften bis wilden Urwaldgeräuschen in den Schlaf wiegen ließ, oder durch die anfänglich von uns gerollten Zeitungsblätter, die sich in allerlei kreativ gebastelte Gaben für den jungen Pablo verwandelten. Als Familienverbände beratschlagten wir, wie wir auf das unheilvolle Eintreffen der ausländischen Unternehmer reagieren sollten, und stellten uns schließlich die letzte Hoffnung beschwörend auf die Barrikaden.
Wir recherchierten aber auch über die Landnutzung und Sojaexporte Brasiliens, spielten witzig abstruse Fernsehwerbungen für den Konsum von Fleisch nach und mimten den Arbeitsalltag von Menschen in Fast-Food Lokalen. Bei der Übung „Hot Seat“ setzten sich je zwei auserkorene Vertreter des reichen globalen Nordens in weiße Pelzmäntel gekleidet auf zwei Stühle um die Konfrontation mit Entsandten der Inuit, Alpenländer, Kinder, Indios, Sahel-Zone und Malediven anzutreten. Schließlich schrieb jede*r von uns als Pablo rührende Zeilen aus einer vom Kapitalismus getriebenen Welt an unsere ersehnte Dorfgemeinschaft.

Sensorisches Gesamterlebnis

Heini Brossmann will bei diesem Workshopformat mittels Dramapädagogik einen kraftvollen Zugang zur Umweltpädagogik schaffen und vor allem junge Menschen erreichen. Vom gemeinsam zubereiteten vegetarischen Mittagessen, über die zahlreichen Utensilien – vom Regenstab bis zur Machete – bis hin zu den gut eingeflochtenen Entspannungs- und Bewegungseinheiten tauchen die Teilnehmer*innen in ein sensorisches Gesamterlebnis ein. Heini Brossmanns Leidenschaft für den Regenwald ist dabei jederzeit spürbar und vermag zu fesseln und zu begeistern.

Bericht von NH-Reporter Hannes
Fotos: © MA22

Nachhaltigkeit in Wien erleben

Der Begriff Nachhaltigkeit ist überstrapaziert. Dies gilt nicht nur für Wirtschaft und Politik, sondern vor allem auch dann, wenn es um die täglichen Kaufentscheidungen geht. Wer wirklich nachhaltig konsumieren will tut sich schwer im Dickicht der grün, fair oder eben nachhaltig gebrandeten Produktvielfalt sich einen Überblick zu verschaffen. Ist überall nachhaltig drin wo auch nachhaltig draufsteht? Für diese Überlegungen und Fragen hat Sabrina Haupt Antworten zu bieten, und zwar in Form von exklusiven Stadtführungen durch Wien, die einladen Nachhaltigkeit aktiv zu (er)leben.

It’s easy being green – just do it!

Ob Bezirks-, Kategorien- oder Sondertouren – Sabrina Haupt hat aus ihrer Leidenschaft für nachhaltigen Konsum und ihren persönlichen Erfahrungen auf diesem Gebiet ein breites Tour-Repertoire aufgebaut. Auf ihren „ichmachesanders“-Touren nimmt sie ihre Gäste mit auf einen Spaziergang, der direkte Anhaltspunkte, Tipps und Insiderinformationen vermittelt wo und wie man in Wien fern von Verzichtsgedanken lustvoll und wahrlich nachhaltig einkaufen kann. Von der Ernährung und Kleidung, über die Körperpflege, bis hin zur Urlaubsgestaltung und Mülltrennung – in all diesen Bereichen können bewusste Kaufentscheidungen einen bedeutenden Unterschied machen.

Zu Besuch bei Pionieren

Eine dieser Touren führt durch den 8. Wiener Gemeindebezirk. Nach einer freundlichen Einführung stoppen wir bei einem Greissler. Dieser zeigt uns stolz die frischen Erdbeeren und erzählt von den Hürden emissionsarmer Transportwege, während er jedes Produkt, das über den Ladentisch wandert, sorgsam abwiegt und in die von den Kund*innen mitgebrachten Behältnisse füllt. Verpackungsfrei, saisonal, regional und bio – diese Eigenschaften beschreiben die bunte Warenpalette des jungen Unternehmers, der mit seinem hippen und kunstvoll eingerichteten Geschäft eine einladende Alternative zum Supermarkt bilden will.

Bienenwachs statt Alu

Eine von vielen weiteren Stationen der Tour ist die Füllbar. In dem kleinen und doch sehr schick eingerichteten Geschäftslokal werden vor allem Hygiene- und Haushaltsartikel angeboten. Auch hier lautet die Devise Verpackung zu sparen oder wiederzuverwenden. Reinigungsmittel aller Art zum Nachfüllen strömen aus bunten Glasröhren. Schon einmal daran gedacht Brot oder die Jause zum Mitnehmen oder Frischhalten in ein Bienenwachstuch zu geben? Inspirieren lassen kann man sich auch hier direkt durch die Ladenbesitzerin, die wir bei der Tour persönlich kennenlernen durften.

Idealismus als Antrieb

Ohne erhobenen Zeigefinger vorleben und vorzeigen wie einfach es ist nachhaltig zu leben – das will Sabrina Haupt mit ihren „ichmachesanders“-Touren. Nachhaltigkeit begreift sie dabei nicht als Lifestyle, sondern als Lebenseinstellung. Es geht um ein bewusstes Nachdenken über die Folgen des eigenen Handelns und Wertschätzung in einem wohlhabenden Land wie Österreich zu leben und dafür Verantwortung zu übernehmen. Angetrieben von ihrem Idealismus betreibt Sabrina Haupt außerdem den nicht kommerziellen Blog „ichmachesanders.com“, mit dem Sie nachhaltigen Läden eine Plattform bieten und mehr Menschen für Nachhaltigkeit begeistern will.

Bericht von NH-Reporter Hannes
Fotos: © MA22

DIE ZUKUNFT IST BESSER ALS IHR RUF – Filmvorführung mit anschließender Dialogveranstaltung

Ein Wort hat die Medien in den vergangenen Jahren dominiert wie wohl kaum ein anderes: die Krise. Negative Meldungen über aktuelle und zukünftige Entwicklungen prägen die Nachrichten und erzeugen ein allgemeines Gefühl der Ohnmacht und Unsicherheit. „Die Zukunft ist besser als ihr Ruf“ – ein Film von Teresa Distelberger, Niko Mayr, Gabi Schweiger und Nicole Scherg – zeigt anhand von konkreten Menschen und Initiativen positive Lebensentwürfe, die Antworten auf viele Problemstellungen unserer Zeit bieten.
Am 29.5. wurde im Rahmen der Schultour 2017 der Film im Village Cinema in der Landstraßer Hauptstraße in Wien einigen Schulklassen vorgeführt. Im Anschluss diskutierten Konradin Schuchter vom Polyfilm Verleih und Gudrun Zecha vom Forum ViA mit den 13-14jährigen Schüler*innen über persönliche Anknüpfungspunkte und Ideen, sich selbst für ein gutes Leben für alle zu engagieren.

Gudrun Zecha und Konradin Schuchter gestalteten die nach dem Film anschließende Dialogveranstaltung.

Hoffnung, Mitbestimmung und Menschlichkeit

Der Dokumentarfilm, der seit Mitte Mai in den Kinos läuft, portraitiert sechs Menschen, die auf unterschiedliche Weise versuchen die Welt ein kleines Stück besser zu machen. Die wohl größte Stärke des Films ist es, Hoffnung und Zuversicht zu stiften, indem gezeigt wird, dass Lebensmodelle abseits des blinden Konsumrausches nicht nur möglich, sondern auch erfüllend und freudvoll sein können.
Rita hat den „BürgerInnen-Rat“ ins Leben gerufen, bei dem Menschen aus der Bevölkerung für eineinhalb Tage zusammenkommen, um gemeinsam zu einem bestimmten Thema zu diskutieren und schließlich eine eigens formulierte Erklärung zu präsentieren. Dies gibt Menschen die Möglichkeit, politische Entscheidungen aktiv mitzugestalten und Demokratie abseits vom Urnengang zu leben. Andrea hat die „Pannonische Tafel“ ins Leben gerufen, bei der einwandfreie Lebensmittel, die sonst im Müll gelandet werden, an Menschen weitergegeben werden, die durch widrige Umstände in die Armut geraten sind. Das Sozialprojekt „Wohnzimmer“ bietet zudem einen Raum ohne Konsumzwang, der zum Kennenlernen und gemeinsamen Essen, Trinken und Musizieren einlädt und auch Asylwerber*innen die Möglichkeit eröffnet, in einem vorurteilsfreien Umfeld anzukommen.

 

Zukunftsfähiges Essen, Wirtschaften, Bauen und Leben

Judith hat die Initiative „SpeiseLokal!“ mitgegründet, die mittels saisonaler und lokaler Ernährung sowie solidarischen Verteilungssystemen auf die Nicht-Nachhaltigkeit der konventionellen Lebensmittelproduktion antwortet. Walter versucht Studierenden an Universitäten einen reflektierten und kritischen Zugang zu Wirtschaft zu vermitteln, der über die neoliberal geprägte Lehrbuch-Ökonomie hinausgeht. Anna erforscht und realisiert „kompostierbare“ Bauprojekte, die aus lokalen Ressourcen wie Lehm errichtet werden und auch im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit nachhaltige Wege des Bauens und Wohnens aufzeigen. Andi ist ein Mut machendes Beispiel dafür, dass ein gutes Leben keineswegs teuer sein muss. Menschliche Beziehungen, naturverbundenes Reisen auf dem Fahrrad oder auch selbstgemachte Kleidung vermögen mehr Zufriedenheit und Selbstwirksamkeit zu stiften, als so manch erworbenes Konsumgut.

MENSCHEN.MACHEN.MORGEN – Das Motto der Aktionstage Nachhaltigkeit 2017 trifft exakt die Aussage des Films.

Die Organisator*innen

Konradin Schuchter, welcher auch im Anschluss an den Film die Diskussion moderierte, sieht die Stärke des Films vor allem in der Botschaft, dass jeder und jede eine bessere Zukunft mitgestalten kann. Es werden Leute „wie du und ich“ abgebildet, wodurch Menschen befähigt werden Veränderung zu leben. Gudrun Zecha stellte nach dem Film außerdem ihr Projekt Erdpapiere vor, bei dem versucht wird, den ökologischen Fußabdruck in den Preis von Waren einzurechnen, um deren wahre Kosten abzubilden und die regionale Wertschöpfung zu fördern. Sie findet es schön, wie gelungen der Film positive Alternativen eines nachhaltigeren Zusammenlebens und Wirtschaftens ins Bewusstsein rückt und damit Mut macht.

Im Sommersemester 2017 wird „Die Zukunft ist besser als ihr Ruf“ an ca. 10 Terminen einer Vielzahl von Schüler*innen die Freude am eigenen Tun nahelegen. Für Lehrpersonen gibt es außerdem Unterrichtsmaterialen zur Vor- und Nachbereitung, um ein möglichst tiefes Verständnis der angesprochenen Themen zu vermitteln. Natürlich ist der Film auch abseits der Schultour seit Mitte Mai in den Kinos zu sehen. Möge der Film noch viele Menschen – um es mit den Worten Gudrun Zecha’s zu sagen – „motivieren anzupacken und im Tun gescheiter zu werden!“

Bei den Schülervorstellungen wird eine Vielzahl junger Hoffnungsträger für zukunftsfähige Lebensweisen sensibilisiert.

Ein Bericht von Nachhaltigkeits-Reporter Hannes.

Fotocredit: © MA 22

Youth4Future – Together Active for the Global Goals

Am 1. Juni lud ein engagiertes Zweigespann der „Generation Earth“ bereits zum zweiten Mal junge Erwachsene ein, direkt in der UNO-City mehr über die nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals = SDGs) zu erfahren. Nadine – eine junge Studentin – und Joel – ein 17-jähriger Schüler – organisieren diese Exkursionen in Namen der Jugendorganisation des WWF (World Wildlife Fund) mit dem Ziel, junge Menschen mit den entwicklungspolitischen Herausforderungen unserer Zeit und möglichen Lösungsansätzen zu konfrontieren. Nach der Führung reflektierten die 12 Teilnehmer dann in einem kleineren Rahmen über Möglichkeiten, im eigenen Leben Schritte zur Erfüllung der SDGs zu setzen – doch dazu später.

Beim Kennenlern-Spiel in der UNO-City fragten sich die Teilnehmer*innen über ihre Gewohnheiten und Haltungen aus.

Erste Hürden überwinden

Nachdem wir alle die Sicherheitskontrolle des Vienna International Center mehr oder weniger erfolgreich passiert hatten (nur ein Taschenmesser musste zurückgelassen werden), lernten wir uns bei einem interaktiven Aufwärmspiel erstmal kennen. Wir stellten uns Fragen zu unseren Gewohnheiten und Einstellungen bezüglich eines nachhaltigen Lebensstils und tauchten so gemeinsam in die Thematik ein. Dann – nachdem wir einen zweiten Schranken passiert hatten – startete die Tour mit Leonora, die uns in den nächsten eineinhalb Stunden durch das Gelände führen und uns dieses mit ihren Erklärungen näherbringen sollte.

Im imposanten Innenhof der UNO-City reihen sich alphabetisch geordnet die Flaggen der 193 Mitgliedsstaaten.

Hinter einem schalldichten Fenster begutachteten die Teilnehmer*innen von "Youtfh4Future" eine internationale Verhandlung.

Die UNO-City und die neuen Ziele

Die insgesamt 17 SDGs wurden von 193 UN-Mitgliedsstaaten in zahlreichen Konferenzen ausgehandelt, um schließlich am 1.1.2016 die bis dahin als Zielvision geltenden Millennium Development Goals (MDGs) abzulösen. Eine Besonderheit dieser neuen Ziele ist, dass nicht zwischen einem „reichen, entwickelten“ globalen Norden und einem „armen, hilfsbedürftigen“ globalen Süden unterschieden, sondern die Staatengemeinschaft als Ganzes verstanden wird, um ein menschen- als auch tierwürdiges Leben auf unserem Planeten zu fördern. Die UNO-City in Wien, deren Name auf die zahlreichen an eine städtische Infrastruktur erinnernden Dienstleistungen zurückgeht (mit Ausnahme von Unterkunftsmöglichkeiten) – beherbergt eine Vielzahl von UN-Organisationen sowie auch die International Atomic Energy Agency (IAEA), die wir alsbald erkunden sollten.

In einem Zelt des UNHCR lauschten wir Geschichten über das Leben und die Zustände in großen Flüchtlingscamps.

Unterwegs in den Tiefen der City

Wir schritten über lange Korridore und durch große Hallen, beobachteten Vertreter von über hundert Staaten bei einer Verhandlung, fühlten uns in das Leben in einem Zelt des Flüchtlingskommissariats (UNHCR) hinein, lauschten verschiedenen Maßnahmen der UN zur Erreichung der SDGs und genossen schließlich eine einschlägige kurze Filmvorführung in einem integrierten Kinosaal. Mit diesen diversen bunten Eindrücken genährt machten wir uns schließlich per U-Bahn vom Vienna International Center auf in den 2. Bezirk zum zweiten Teil der nachmittäglichen Aktion.

Let’s talk about SDGs & Lifestyles

Dort angekommen stärkten wir uns an einem kleinen aber feinen „nachhaltigen Buffet“ aus veganen Aufstrichen, Biogemüse-Stäbchen und gerettetem Brot von dem jungen Wiener Start-Up „Brotpiloten“. Nadine und Joel erläuterten die verschiedenen Handlungsfelder für nachhaltige Lebensweisen in Bereichen wie Ernährung, Mobilität, Wohnen und Konsum. Sie vergaßen auch nicht zu betonen, dass Minimalismus und Verzicht durchaus mehr Freude am Leben und Selbstwirksamkeit bedeuten können. Annemarie Miesbauer, die auch schon in der UNO-City mit dabei war, erzählte uns im Anschluss von den augenöffnenden Erfahrungen ihres Selbstversuchs, bei dem Sie ein Jahr lang versuchte, keinen Müll zu verursachen. Im ihrem Blog „Ein Jahr im Glas“, berichtet Sie von ihrer Motivation und den leicht nachahmbaren Ansätzen, der Wegwerfgesellschaft zu entkommen – vom Kakao- oder Zimtmake-up bis hin zum Ohrenschmalzentferner. Den Abschluss des erkenntnisreichen Nachmittags bildete eine finale Reflektionsrunde, bei der alle Teilnehmenden konkrete Ziele und Maßnahmen planten, um in Zukunft selbst zu dem ein oder anderen nachhaltigen Entwicklungsziel persönlich beizutragen.

Bei einem vegetarischen Buffet aus teils geretteten Lebensmitteln stärkten wir uns für den Workshop.

Die Köpfe der Aktion

Nadine und Joel – die „Youth4Future“ im Rahmen des „Action Leader Training“ der Generation Earth konzipierten – sehen ihre Aktion als hervorragende Gelegenheit, um jungen Menschen ihre Verantwortung im Bezug auf die Umsetzung der SDGs bewusst zu machen. In den SDGs sehen sie ein greifbares Zielkonstrukt, das den Weg in eine zukunftsfähige Welt einleiten kann. Zweifelsohne werden sich die beiden auch in Zukunft in diesem Sinne engagieren, denn – wie Joel nicht versäumt zu betonen: „eine bessere Welt ist möglich!“.

Ein Beitrag von Nachhaltigkeits-Reporter Hannes Reitberger.

Fotocredit: © MA 22

SUPERTRAMPS: Eine Tour – zwei Welten

Am frühsommerlich warmen Nachmittag des 9. Juni empfing ein ungleiches, jedoch wunderbar harmonierendes Duo eine Schar interessierter Menschen an den Ufern des Wiener Donaukanals.  Katrin Kadletz ist staatlich geprüfte Fremdenführerin und entführte als solche die Teilnehmer*innen auf einen vielseitigen Ausflug in Wiens Kunst, Kultur und Geschichte. Ferdinand, der zweite Guide, hat über Jahre am eigenen Leib erfahren müssen, was es heißt, kein Dach über dem Kopf zu haben und teilte Fakten, tragische Episoden aber auch das ein oder andere humoristische Schmankerl aus der Welt der Obdachlosigkeit mit der gebannt lauschenden Zuhörerschaft. Der von den beiden abwechslungsreich gestaltete Spaziergang entlang des lebhaften Donaukanals hinein ins stille Servitenviertel des 9. Wiener Bezirks eröffnete einen höchst kontrastreichen Einblick in unterschiedliche Lebenswirklichkeiten und in eine Stadt mit vielen Gesichtern.

Die Guides Ferdinand und Katrin vor der mit Graffiti-Kunst gestalteten „Wienerwand“ am Donaukanal.

Die eine Welt … Historie und Glanz einer Weltstadt

Das vom weltberühmten Wiener Architekten der Belle Époque Otto Wagner erdachte Schützenhaus beim Donaukanalausgang der U-Bahn-Station Schottenring bildet den Ausgangspunkt der Exkursion. Entlang der sogenannten „Wienerwand“, die legal von Künstler*innen der Graffitiszene im steten Wandel gestaltet wird, spazieren wir das Donaukanalufer der „Mazzesinsel“ entlang – wie der 2. Bezirk historisch auf seine jüdischen Wurzeln verweisend genannt wurde. Geschichten vom heiligen Nepomuk, der Rossauer Kaserne und den schiffziehenden Treidlern lauschend, überqueren wir schließlich auf der Rossauer Brücke den Donaukanal. An der „Summer Stage“ vorbeischlendernd, die in den Sommermonaten hier von Creolisch bis Wienerisch zu einer kulinarischen Weltreise einlädt, erreichen wir die ebenfalls von Otto Wagner gestaltete U-Bahn Station Rossauer Lände – ein Hauch Nostalgie weht durch die moderne Weltstadt.

Ferdinands lebhafte Ausführungen luden auch immer wieder zum Schmunzeln ein.

Beim Denkmal der im Zweiten Weltkrieg vertriebenen und ermordeten Juden und Jüdinnen, die in der Servitengasse lebten und arbeiteten, erzählt Ferdinand wie Ausgrenzung im Wien von heute Obdachlose trifft.

Grätzloase?

Dann tauchen wir ein in die stillen Gassen des Servitenviertels. Die Gemeindebauten, die nicht nur hier sondern in der ganzen Stadt bereits ab den 1920er Jahren erbaut wurden, galten damals als internationales Vorzeigeprojekt. Vertreter aus verschiedensten Ländern kamen, um die mit Wasseranschlüssen ausgestatteten Wohnungen sowie die Innenhöfe, Kindergärten und kleinräumigen Infrastrukturen der zukunftsträchtigen Wohnformen zu begutachten. Ein Highlight der Führung ist der im Häuserdickicht verborgene älteste erhaltene jüdische Friedhof Wiens, dessen Anfänge ins 16. Jahrhundert zurückreichen. Vorbei an einer ehemaligen Synagoge, die im Zuge des Novemberpogroms 1938 vernichtet wurde, erreichen wir schließlich die für das Grätzl namensgebende barocke Servitenkirche. Die charmanten Gassen mit ihren vielen Cafés und Läden werden auch gerne „Petit Paris“ genannt, immerhin ist hier unweit auch das Französische Gymnasium beheimatet.

Die andere Welt … über Leben und Überleben auf der Straße

An der Kreuzung Berggasse/Porzellangasse endete die Führung, die bereichert wurde durch die bewegenden Ausführungen Ferdinands, der durch unglückliche Umstände das Leben als Obdachloser erfahren musste. Von den Strapazen der Delogierung über die mühsame tägliche Schlafplatzsuche, die Nahrungsbeschaffung, die Bedeutung von Hunden zur mentalen Stütze, die Wahrnehmung von Kontrollterminen bis hin zum stets schwerer werdenden Zugang zu öffentlichen Toiletten ließ uns Ferdinand in eine Welt eintauchen, über deren zähe Lebensrealität wohl nur die Wenigsten je bewusst nachgedacht haben. Dabei kann Obdachlosigkeit jeden treffen, ob durch Unfälle, traumatische Erlebnisse oder teure Scheidungen. Gleichzeitig ist niemand auf ein derartiges psychisch und physisch immens belastendes Schicksal vorbereitet. So sind Obdachlose auch keine homogene Gruppe und ist der Dosenbier trinkende und den Ausweg im Alkoholrausch suchende „Sandler“ am Praterstern nicht der typische Obdachlose.

Ferdinand lädt die Teilnehmer*inner der SUPERTRAMPS-Tour ein, differenzierter über Obdachlosigkeit und ihre Gesichter nachzudenken.

Nachwirken

Wir stehen im Halbschatten vor dem französischen Café „La Mercerie“. Die Stimmung bei der Verabschiedung ist locker, die Gespräche sind aufgeschlossen und respektvoll. Ferdinand reflektiert über die Würde, die darin liegt, für Dinge selbst zu bezahlen und damit ein Stück Normalität zu erleben. Einen Moment später bringt er uns mit einem Sarkasmus geladenen Witz zum Lachen. Katrin Kadletz bewundert ihn für seinen Mut als „SUPERTRAMP“ Menschen für das Leben und Leiden in der Obdachlosigkeit zu sensibilisieren. Doch wer hat die beiden eigentlich zusammengeführt und was ist SUPERTRAMPS genau?

SUPERTRAMPS kann dem Anspruch, eine Plattform des Austausches verschiedener Lebenswelten und –wirklichkeiten zu sein, gerecht werden.

Das Sozialprojekt SUPERTRAMPS

Getragen durch den 2015 von Katharina Turnauer ins Leben gerufenen Verein „SUPERTRAMPS – Verein zur Unterstützung von obdachlosen und ausgegrenzten Menschen“ knüpft die Initiative vor allem an den sozialen Nachhaltigkeitsaspekt an. Seit Oktober letzten Jahres hat Teresa Bodner die Fäden bei SUPERTRAMPS in der Hand. Die angebotenen Stadtführungen sieht sie als Chance, eine Plattform des Austausches zu schaffen und obdachlosen Menschen ein Gesicht zu geben um somit zukünftig eine andere, verständnisvollere Art der Begegnung zu ermöglichen. Außerdem gehe es um die Unterstützung der betroffenen Individuen, um wieder im Leben Fuß zu fassen.
Der Slogan der Aktionstage Nachhaltigkeit 2017 „Menschen. Machen. Morgen“ passe daher auch wunderbar zu den vielseitigen und stets etwas anders verlaufenden SUPERTRAMPS-Touren. Ob Wiener*innen, die ihre Stadt aus einem anderen Blickwinkel kennenlernen möchten, Tourist*innen, die Wien abseits von Ruhm und Glanz entdecken wollen oder Schüler*innen, die schon früh über die Themen Ausgrenzung und Armut lernen können – SUPERTRAMPS will die Augen vieler Zielgruppen öffnen, um ein gutes Zusammenleben für alle zu fördern.

Ein Beitrag von Nachhaltigkeits-Reporter Hannes Reitberger.

Fotocredit: © MA 22